Mallorys zweiter Tod

Titel:

Mallorys zweiter Tod

Autor:

Reinhold Messner

Autor:

BLV, 1999

Seitenzahl:

302

Sprache:

deutsch

Preis:

EUR 14,95

Für wen:

Alle, die gerne bei der aktuellen Diskussion über Mallory kompetent mitreden möchten ....

Unser Urteil:

Wo:

online bei AMAZON

Rezension:

Nach dem Fund von Mallory's Leiche am Everest-Nordgrat entbrannte von neuem eine alte Diskussion: Muß die Alpingeschichte umgeschrieben werden? Wer war wirklich der erste auf dem Everest? Haben es Mallory und Irving 1924 womöglich doch geschafft und sind erst beim Abstieg umgekommen?

Wer eine umfassende Abhandlung zu diesem Thema lesen möchte, sollte auf Reinhold Messners neuestes Buch zurückgreifen, mit dem dieser Antworten auf all die offenen Fragen ankündigt. Und tatsächlich kennt ja Reinhold Messner die Geschichte des Everest und die Verhältnisse dort oben von seinen eigenen erfolgreichen Besteigungen wie kaum ein zweiter. Sein Urteil fällt nach umfassender Analyse der Orignalaufzeichnungen Mallorys sowie unter Berücksichtigung der alpinistischen Gegebenheiten eindeutig aus: Unmöglich, der "Second Step", eine Steilstufe unterhalb des Gipfels nahezu im unteren sechsten Schwierigkeitsgrad, war zur damaligen Zeit mit der verfügbaren Ausrüstung nicht kletterbar, eine Umgehung zeitlich nicht möglich - Mallory kann den Gipfel des Everest nicht erreicht haben. Und zurecht kritisierte Messner beim Pressetermin in München jene Verfechter der "Mallory-Gipfelsieg-Theorie" scharf, die aus dem (bekannten) Sauerstoffdruck in den Flaschen der beiden 1924 Verschollenen und einem (hypothetischen) Verbrauch durch die Bergsteiger ableiten wollen, dass es locker gereicht hätte bis zum Gipfel und zurück. Nein, der Everest ist einfach keine Autobahn, bei der Rechnungen der Art "mit 7 Litern Benzin fahre ich mindestens 100 Kilometer" (im übertragenen Sinn ...) zwangsläufig zum richtigen Ergebnis führen.

Sehr gut an Messners neuem Werk gefällt uns die wirklich umfassende Information, die ein alpinhistorisch interessierter Leser in die Hand bekommen: fundiert recherchiert und trotz enormen Zeitdrucks - schließlich sollte das Buch bis zur Frankfurter Buchmesse trotz des Wahlkampfs um einen Sitz im Europaparlament fertiggestellt sein - professionell umgesetz. Von der Fülle des Materials wird sich mancher schon fast erschlagen fühlen. Dennoch gelingt die Aufarbeitung einer fünfzig Jahre andauernden Geschichte einer "imaginären Seilschaft zweier Seelenverwandter" (Messner in der Pressekonferenz sinngemäß über Mallory und Messner) unserer Meinung nach sehr eindrucksvoll.

Weniger gut gefällt uns, dass wieder einmal sehr publicity-trächtig Stellung zu einem Thema bezogen wurde, das derzeit einfach "en vogue" ist und Reinhold Messner (der zweifelsfrei selbst ein lebender Mythos ist) an mancher Stelle sich für unser Gefühl etwas zu sehr an Mallorys Seite stellt, obwohl er dies beileibe nicht nötig hätte. Noch glaubhafter erschiene die von Messner mehrfach betonte enge Bindung zu Mallory, wäre das Buch bereits vor der Suchexpedition 1998 erschienen, denn der Leichenfund Mallorys selbst trägt in dem Buch letztendlich nichts zur Klärung der bis dato offenen Fragen bei. Also hätte uns Reinhold Messner bereits nach seiner eigenen Besteigung von Norden dieselben Antworten geben können. Hatte er Angst, damals hätte es keiner hören wollen, oder bedurfte es einfach eines Anstoßes von außen? Ebenso ruft die keinen Widerspruch duldende Absolutheit, mit der einige Statements abgegeben werden, schon fast eine Trotzreaktion beim Rezensenten hervor. Fanatische Bergsteiger lassen sich, wie die Geschichte mehrfach gezeigt hat, nicht immer vorschreiben, welche Kletterstellen für die Zeit, in der sie gerade leben, zu schwierig sind. Auch Reinhold Messner hatte sich am Mittelpfeiler des Heiligkreuzkofel vor knapp zwanzig Jahren nicht darum geschert, dass eine Stelle im unteren achten Grad in Bergstiefeln einfach zu schwierig war für diese Zeit - und hat die Tour bekanntermaßen erfolgreich beendet.

Daher sagen wir (auch wenn wir es ehrlich gesagt kaum mehr glauben): Mallory könnte es doch geschafft haben! Doch bildet Euch selber eine Meinung - die Fakten liegen auf dem Tisch.

(SR)

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